2. Sahara-Marathon vom 25. Februar 2002
Eine Reise zum Laufen und Helfen zurück
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Zelt,
am Start,
beim Lauf,
Gastfamilie
Etwa so groß wie die alte Bundesrepublik liegt die Westsahara zwischen
Marokko, Mauretanien und Algerien an der westafrikanischen Küste.
Das Land der Sahrauis bietet mehr als Dürre und Sand. Fischreiche
Gewässer vor der Küste, Öl, Eisen- und Kupfererze, das
zweitgrößte Phosphatvorkommen der Erde. Weitere Rohstoffvorkommen
werden vermutet. Unmittelbar nach dem Rückzug der spanischen Kolonialherren
1975 wurde die Westsahara von Marokko besetzt. Die Eroberer vertrieben
die dort lebenden Menschen in die Wüste. Unter dem Schutz ihrer im
Widerstand gegen Spanien entstandenen Befreiungsbewegung Frente Popular
de Liberacion de Saguia el Hamra y Rio de Oro (POLISARIO) sammelten sich
die Flüchtlinge in eilends errichteten Lagern. In den ersten Wochen
des Jahres 1976 warf die marokkanische Luftwaffe Phosphor- und Napalbomben
über den Flüchtlingslagern ab, die 25.000 Menschen den Tod brachten.
Um den Überlebenden des Bombenterrors eine Zuflucht zu bieten, stellte
Algerien den Flüchtlingen vorübergehend das Gebiet in der Nähe
der Wüstenstadt Tindouf zur Verfügung. Die POLISARIO proklamierte
am 27. Februar 1976 die Demokratische Arabische Republik Westsahara. Seit
über einem viertel Jahrhundert leben die Sahrauis nun schon im Exil
der südwestalgerischen Stein- und Geröllwüste. Das sind
155.000 Menschen von der Weltöffentlichkeit vergessen, im Kalkül
der Mächtigen ohne jede Bedeutung. Trotzdem organisiert ihre "Republik
im Exil" seither das Überleben: Inmitten der Wüste entstanden
Ministerien, Schulen, Krankenhäuser und Zeltstädte. Trotzdem
bleiben die Menschen unter den unwirtlichen Bedingungen ihres Wüstenexils
von internationaler Hilfe abhängig. (Quelle: medico international)
Um weltweit auf diese Menschen aufmerksam zu machen, organisierte der
Amerikaner J.E.B. Carney im vergangenen Jahr den ersten Sahara-Marathon.
Wegen der Anschläge vom 11. September bat Carney die Bad Berleburger
Dr. Holger und Ulrike Finkernagel, die Organisation der 2. Auflage zu
übernehmen. Über mehrere Rundbriefe waren alle Teilnehmer vor
der Reise ausführlich informiert worden. Auch Fernsehteams von ARD
und ORF begleiteten die Läufer auf dieser höchst ungewöhnlichen
Reise. Per Charterflug ging es für die ca. 140 Teilnehmer starke
deutsch /österreichische Gruppe am 23. Februar von Frankfurt direkt
nach Tindouf und von dort aus noch mit Bussen in das gut eine Stunde entfernte
Flüchtlingslager Smara. Zusammen mit weiteren Gruppen aus Spanien,
Portugal und Italien, einigen Läufern anderer Nationen sowie auch
Sahrauis ergaben eine Gesamtteilnehmerzahl von etwa 500 Teilnehmern für
die Distanzen 5 km, 10 km, Halbmarathon und Marathon.
Untergebracht wurden wir Teilnehmer bei ausgesuchten Familien. Jede Familie
nahm ca. 5 Teilnehmer auf. Große Zelte waren für eine knappe
Woche unser Zuhause. Eine gewaltige Umstellung gegenüber unseren
gewohnten Verhältnissen. Keine Dusche, kein Bad und primitive Toiletten.
Keine Möglichkeit sich mal zurückzuziehen, denn die Gastfamilie
war - bis auf die Nacht - immer dabei im Zelt. Aber gerade diese Verhältnisse
machen solch eine Reise interessant. Gut angepasst an die orientalische
Mentalität, so unter dem Motto: vergesst mal eure Uhren, organisierten
die Finkernagels den täglichen Ablauf. Dass das ein oder andere mal
nicht so klappt, wie vorgesehen, war nicht das Problem, vielmehr war es
die vollkommen fehlende Informationsstrategie. Das ging schon am ersten
Abend los, als es zunächst hieß, wir würden das Abendessen
bei der Gastfamilie bekommen. Tatsächlich fand dieses aber, wie auch
an den weiteren Tagen, im sogenannten Clubhaus als Massenverköstigung
statt. Ärgerlich war vor allem, dass das, was allgemein verkündet
wurde, einige Minuten später bereits Makulatur war. Es ist schon
ärgerlich, wenn am Vorabend um 22.00 Uhr gesagt wird, seid bitte
morgen um 8:45 pünktlich hier, weil wir dann zu einem Ausflug starten
und wir dann pünktlich da sind und mehr zufällig erfahren, dass
dieser Termin um 23.00 Uhr gekippt wurde. Ärgerlich auch, dass man
die Läufer am Abend des Marathontages stundenlang vor der verschlossenen
Tür des Clubhauses auf das Abendessen warten lässt.
Dies waren keine Einzelfälle, sondern die Regel. Ein ständig
aktualisierter Aushang, wäre sicherlich hilfreich gewesen, unterblieb
aber trotz mehrfacher Anregung. Leider litt auch der Marathon unter den
Organisationsmängeln. Alle 2,5 km sollte es Verpflegungssstellen
geben, bis Halbmarathon nur Wasser, ab dann zusätzlich Power Drinks
hatte man uns noch am Vorabend mitgeteilt. Doch dann gab's an jeder zweiten
Verpflegungsstelle nichts mehr, ab und zu auch zweimal nacheinander. Das
so entstandene Defizit konnte ab der 30 km Marke, ab hier gab es ausreichend
Wasser, leider nicht mehr kompensiert werden. Immerhin hat man noch während
des Marathons Wasser beschafft, sonst wäre der Lauf vermutlich abgebrochen
worden. Trotzdem sehr ärgerlich und auch auf Kosten der Gesundheit
der Läufer. Ob die einheimischen Helfer das wertvolle Wasser beiseite
geschafft hatten, oder es schon vorher in großen Mengen weggekommen
war, blieb unklar. Fast hätten wir der Meinung von Ulrike Finkernagel,
daß man uns deshalb kein Wasser mehr gegeben habe, weil wir zu sorglos
damit umgegangen wären, sprich es uns über den Kopf gegossen
und halbvolle Flaschen weggeworfen hätten, geglaubt, hätten
wir nicht zwei Tage später beim Besuch des algerischen Präsidenten
Bouteflika miterlebt, dass tonnenweise Wasser auf den Platz gegossen wurde,
nur, dass es nicht so staubt.
Auch was den Grundgedanken dieser Reise anbetrifft, nämlich in erster
Linie, auf das Elend in den Flüchtlingslagern aufmerksam zu machen
und selbst einen Beitrag zur Hilfe zu leisten, in dem die Startgebühr
in Höhe von USD 50,-- ausschließlich als Spende für die
Kinder in der Wüste verwendet wird, muss man sich darüber wundern,
dass die Flüchtlingsfamilien darüber entweder überhaupt
nicht, oder nur unzureichend informiert worden waren. Auch hat man die
Gelegenheit versäumt, die Kinder in den Schulen auf unseren Besuch
und die damit verbundenen Hilfeleistungen vorzubereiten. So geschah es
dann leider, dass die Familien zum Teil das für uns vorgesehene Essen
selbst behalten haben und einige Teilnehmer gar in den Zelten bestohlen
wurden. Dennoch war es eine sehr erlebnisreiche Reise, die durch mehrere
Ausflüge - ohne zusätzliche Kosten - recht abwechslungsreich
und kurzweilig verlaufen ist. Unter deutschsprachiger Leitung besuchten
wir ein Museum, eine Frauenschule - hier wurden Teppiche geknüpft
-, ein Krankenhaus, eine große Gartenanlage inmitten der Wüste
in der auch das Gemüse für die hier lebenden Flüchtlinge
angebaut wird. Leider werden hier aber auch zigtausende von Hühnern
in Legebatterien zur Eierproduktion gehalten. Gegen Ende der Reise häuften
sich die Ausfälle. Die mangelhaften hygienischen Bedingungen, die
einseitige Ernährung, die Hitze und nicht zuletzt der Kräfteverschleiß
beim Marathon führten bei Vielen zu Durchfall und Kreislaufbeschwerden.
Auch ich habe mir am letzten Tag noch Durchfall eingefangen, der aber
zum Glück schnell wieder vorüber war. Leider kam aber noch eine
starke Erkältung hinzu.
Viele Grüße
Michael Weber
Stuttgart |