Bericht von Testläuferin Marion Bürger
über den Crossmarathon Bad Harzburg
][ Marion Bürger ][
Ein Marathon wie in den Tropen!
Pfingstsamstag war der Tag für die Premiere des Bad Harzburger
Cross-Marathons.
Im Rahmen des Harzburger Walking-Days wurden erstmalig mehrere Läufe
angeboten.
Eigentlich war der Marathon sogar ein "Nebenlauf". Der Hauptlauf
war ein 10er, es gab noch Halbmarathon, mehrere kürzere Strecken,
Schnupperlauf sowie etliche Distanzen zum Wandern und Walken. Obwohl ich
ja brockenerprobt bin, fand ich das Streckenprofil mit ca. 5-600 Höhenmetern
recht furchteinflößend. Vor allem da es eine 2x zu durchlaufende
Halbmarathonstrecke war. Nun hatte ich erst knappe 5 Wochen auf den Marathon
hintrainiert und war doch etwas unsicher. Dennoch wollte ich es probieren.
Im Falle des Nichtklappens wäre es eben ein "langer Lauf".
Es ist ja immer gut auf diesem dann Verpflegung zu haben ohne was mitschleppen
zu müssen.
So stand ich dann kurz vor 10 Uhr an der Harzburger Galopprennbahn wo
das Ganze starten sollte.
Etwas mißtrauisch schaute ich auf die wenigen Teilnehmer ... gottseidank
hatte ich Musik dabei und würde so nicht allzu einsam durch den Wald
laufen. Ich hoffte auf gute Ausschilderung und gute Verpflegungsstellen,
was mir im Nachhinein doch recht gut organisiert schien. Wirklich aufgefallen
ist mir wie nett wirklich die Leute an den Verpflegungsstellen waren.
Die Becher wurden einem entgegengereicht und es war für jeden ein
nettes Wort parat.Die Gespräche, die ich vor dem Start mit einigen
Teilnehmern führte, waren auch nicht gerade zur Motivation gedacht.
Hörte ich doch von etlichen "Training für Biel" und
"jedes Wochenende Marathon"... "Wo läufst Du nächste
Woche?" und so waren die Themen und Fragen. Nun ja. Ich mit meinen
8 Marathons in gemächlichem Tempo dazwischen? Augen zu und durch
dachte ich mir.
Kurze Zeit später wurde gestartet und das "Feldchen" mit
ca. 30 Leuten lief los.
Anfangs ging es ganz gemächlich bergauf. Die Wege waren breit, schöner
Waldboden und superschöne Natur.
Allerdings war es heiß! Obwohl das Thermometer nur knapp über
20 Grad gezeigt hatte stand die Luft superdick und belastend im Wald und
es schienen gefühlte 30-40 Grad zu sein. Schon nach kurzer Zeit floß
die Suppe! Ich bin ein "Wenigschwitzer", aber mir lief das Wasser
nur so in die Augen. So sagte ich mir gleich -an jeder Verpflegungsstelle
musst Du trinken, trinken, trinken!
Oft mache ich das beim Marathon erst ab der Hälfte. Bisher bin ich
gut damit gefahren, da mir bei anderen Fällen die Flüssigkeit
unnangenehm im Magen herumhopste. In diesem Fall war es anders. Es gab
gottseindank STILLLES Wasser (hatte auch schon Veranstaltungen wo es NUR
Sprudel gab! -grauenvoll) und ich zog einen nach dem anderen Becher weg.
Die erste Runde lief eigentlich gut. Die Wege waren überwiegend schön
zu laufen und mittendrin hatte man auch mal eine herrliche Aussicht über
Bad Harzburg. Ein richtig schönes Stück Natur. Wenn auch mein
Lendenwirbelbereich anfangs ein wenig muckte, konnte ich mich doch locker
laufen und die Runde genießen. Das bergauf machte mir nicht soviel
aus und bergab flitze ich erholt runter.
Erst gegen Ende der 1. Runde machten sich dann komische Gedanken breit.
Die Möglichkeit dort auszusteigen und gewertet zu werden (die bewußt
vom Veranstalter gegeben wurde) schlich sich in die Gedanken und kämpfte
mit der Tatsache die komplette Strecke noch einmal bergauf zu müssen.
Eine weitere, psychologisch etwas unkluge Sache war der Wendepunkt. Wir
mussten fast komplett den Weg ins Ziel laufen. Die Waldrunde fertiggelaufen
-wieder runter bis zur Galopprennbahn und von dort noch einmal neu los.
Schon auf dem Weg runter zur Galopprennbahn bekam ich ein "Zielgefühl".
Man sah die Leute auf den Tribünen, die bunten Shirts und die Planen
und Schilder, ein wenig Trubel... und man wünschte man wäre
endlich da! Umkehren und wieder zurück oder aussteigen? Es war ein
wahrer Kampf! Vor allem auch in die gequälten Gesichter derer, die
einem schon entgegenkamen zu schauen. Es waren inzwischen wirklich 30
Grad geworden, die Sonne brannte und selbst wenn man im Schatten der Bäume
lief, hatte man das Gefühl heiße Fönluft zu atmen. War
man nicht nass vom Schweiß, so wäre man wohl durch die hohe
Luftfeuchtigkeit klamm gewesen. Irgendwie ein Gefühl wie in den Tropen.
Der Wendepunkt! 2:11 hatte ich auf der Uhr.
Ich schnappte mir 2 Becher Wasser, es gab leider weder Cola noch Iso...
und ein Stückchen Banane holte tief Luft und lief weiter.
Irgendwas sagte in meinem Kopf: probier`es. Ein echtes Tief kam 1km danach.
Als ich die betonierte Straße zum Wald wieder hochlief kamen mir
schon 2 Teilnehmer die aufgaben entgegen.
Meine Beine wurden plötzlich bleischwer und streikten. Mein Kopf
schrie "was denn nochmal die vielen Steigungen da hoch in der Hitze??".
Wie willst Du nach weiteren gequälten 5km die Beine heben? So stoppte
ich und ging in einen schnellen Schritt über.
Gottseidank nur 10 Meter, denn der fragende Blick vom nächsten Streckenposten
lies mich wieder in den Laufschritt fallen.
Gequält lief ich weiter. Passenderweise kam in meinem MP3-Player
gerade der Titel "Feel my Energie" (Brooklyn Bounce) und ich
sammelte all meine Energien und versuchte einen gleichmäßigen
Rhythmus zu bekommen. Gottseidank klappte das! Vor mir niemand... hinter
mir niemand... Ich hatte das Gefühl mutterseelenallein im Wald zu
sein und musste nun besonders aufmerksam auf die Pfeile an den Bäumen
achten. Bei der 1. Runde hätte ich fast einmal eine Abzweigung verpaßt
und wäre wohl kilometerweise falsch gelaufen. Zufällig saß
eine alte Dame mit Hund auf einer Bank und rief mir "den anderen
Weg" zu. Ich war superdankbar! Schließlich war sie eine private
Spaziergängerin und hätte gar nicht auf mich achten müssen.
Im allgemeinen war die Ausschilderung aber gut. Man darf eben bloß
nicht pennen wie ich es getan habe.
Die Verpflegungsstation bei km 6! Also rund 27km geschafft. Und immer
noch nicht oben! Ich trank wieder 2 Becher Wasser und schnappte mir ein
Stück Banane und lief weiter.
Komisch dieser extreme Hunger? Waren das die klimatischen Bedingungen?
Oder viel mehr verbrauchte Energie?
Ich mag gar keine Bananen! Allerdings haben sie mich über ein Tief
im Frankfurt-Marathon total gut gerettet und daher schnappe ich mir nun
ab der Hälfte im Marathon immer mal ein Stückchen. Allerdings
so groß wie heute war der Appetit nie.
Egal, weiter! Noch ca. 5-6 km bis zur nächsten Verpflegungsstelle
und dann wäre die Steigung geschafft.
Eigentlich zu packen, aber mit nachlassenden Kräften immer nur bergauf,
der Gedanke und vor allem das schwere Gefühl in den Beinen demotivieren
total! Nach 1km sah ich weit vor mir 3 Gestalten. Zu weit weg um aufzuschließen,
aber doch ein beruhigender Gedanke da nicht alleine rumzuschleichen. Schleichen
war es nun wirklich.
Die Beine wurden immer schwerer und ab und an strauchelte ich sogar bei
unwegsamem Gelände. Es wurde immer schwerer die Füße so
hoch zu heben um nicht gegen die dicken Steinbrocken, die ab und an im
Weg lagen, zu stoßen.
"Keine Lust mehr, keine Lust mehr" schrie mein Kopf!!!!!!! Die
nächste Kurve...und vor mir ging ein Läufer. Keine Puste mehr.
Puste zum Reden hatte ich auch nicht. Also konzentrierte ich mich wieder
auf meine Musik und lief in minikleinen Schrittchen weiter bergauf an
ihm vorbei.
"Nicht nur Du hast Schwierigkeiten" beruhigte mich mein Kopf.
So schaffte ich es wirklich bis zur nächsten Verpflegungsstelle.
Wieder 2 Becher, wieder Banane! Die nette Frau an der Verpflegunsstelle
erinnerte mich daran, dass es nur noch 1 schwerere Bergaufpassage gab
und dann nur noch bergab. Auch nicht einfach, aber doch viiiiiiiiiiiiel
besser für meine schlappen Beine!
"Nur noch 1 Verpflegungsstelle musst Du erreichen" sagte ich
mir immer wieder.
"Noch 2x 5 Kilometer" war ein weiterer Aufhänger! Wenn
ich das im Nachhinein so schreibe, fällt mir auf wie wichtig doch
die Psyche beim Laufen ist und wie gut dass ich mir doch immer wieder
Mut machen kann.
Die letzte Bergaufpassage! Da ich wußte dass es die letzte ist,
nahm ich alle Kraft zusammen und lief da hoch.
Immerhin bin ich bis auf die 10 Meter nach dem Wendepunkt komplett durchgelaufen!
So viele habe ich gehen sehen bei den Anstiegen. Klar viele kommen damit
besser klar, aber ich komme aus dem Rhythmus und mache dann lieber kleine
Schleichschrittchen, aber im Laufschritt.
Es wurde etwas gerader, ging eine Weile wellig hin und her--und eeeeeeeeeeeeeeeeendlich
bergab.
Ich brauchte eine Weile um mich an die veränderten Gegebenheiten
zu gewöhnen. Wieder einen neuen Rhythmus zu finden.
Nach einem halben Kilometer hatte ich meinen Rhythmus gefunden! Boney
M half mir im MP3-Player einen schwungvollen Stil zu laufen. So langsam
atmete ich auf und konnte wieder etwas an Geschwindigkeit zulegen.
1.11 hatte ich an der Wendemarke. Wenn ich Glück habe, schaffe ich
es unter 4 Stunden 30. Oh je, so einen schlechten Marathon bin ich wirklich
noch nie gelaufen. Der letzte (Stadtmarathon) lag bei 3:45:18h.
Naja die Verhältnisse kann man nicht vergleichen. Zudem darf ich
ja auch nicht vergessen erst 5 Wochen wieder im Training zu sein. Obwohl
da komischerweise alle langen Läufe mit 5.40-5:50 geklappt haben.
Die 9km bergab wurden von ein paar Höhenmetern unterbrochen. Dort
sah ich eine junge Frau gehen. Gehen kam für mich nicht in Frage,
so hatte ich sie kurze Zeit später überholt. Und auch als sie
gleich nach dem Bergaufstück wieder anfing zu laufen schloß
sie nicht auf.
In meinem Kopf machte sich der Gedanke breit: "wenigstens bist Du
jetzt nicht die letzte Frau!". Da ich ja wußte wie wenig Teilnehmer
dabei sind kann man in so einem Fall ja auch einen guten 5 Platz haben
und wiederum auch "Letzter" sein...
Das Ganze spornte mich an meine recht flotte Geschwindigkeit (flott war
halt mein derzeitiges Gefühl ;-)) beizubehalten.
Ich sehnte die letzte Verpflegungsstelle herbei.
Die Kilometer zogen sich wie Kaugummi................
Irgendwann aber hatte ich es geschafft. Endlich gab es ein Wasser-Iso-Gemisch.
Sonst nicht mein Ding, aber mein Körper schrie nach Energie und Zucker!
Schnell 2 Becher gezogen und weiter.
Während das Mädchen was dort saß bei der 1. Runde sagte
es wären noch 5km, sagte sie mir nun es wären noch 6km. ?????????????????
Nanu? Egal! Ändern kann ich es eh nicht und so kurz vor dem Ziel
werde ich nicht aufgeben.
Inzwischen hatte es angefangen zu regnen. Was anfangs ganz angenehm war.
Nass war man eh, aber der Regen kühlte etwas.
Noch bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte kamen wahre Sturzbäche
zusammen mit Hagelkörnern vom Himmel.
Hey das tat ja richtig weh!
Die Bäche liefen mir übers Gesicht und ich konnte kaum mehr
sehen. Bei der oft heftigen Bergabstrecke und den unebenen Waldwegen ein
gefährliches Unterfangen! Vorsicht mahnte mein Gehirn, Du willst
doch nicht ein paar Kilometer vor dem Ziel noch stürzen. Meine dünne
Sommerjacke und die kurze Hosen wurden immer vollgesogener und schwerer.
Am schlimmsten aber waren die Schuhe! Mittlerweile war so viel Wasser
darin, dass ich richtig schwamm und mir jegliches sichere Gefühl
abhanden kam.
Man sackte inzwischen auch richtig tief in den Schlamm ein und musste
haargenau aufpassen wohin man seine Schritte setzte.
Ich wischte und wischte mir das Wasser aus den Augen und hatte schon Bedenken
mir meine Kontaktlinsen mit wegzuwischen.
Es ging heraus aus dem Wald, über eine kleine Straße, wieder
hinei und immer weiter. Es nahm kein Ende! 1 Läuferin und 1 Läufer
hatte ich auch nocheinmal überholt. Eigentlich schön, aber inzwischen
war das ganz egal nur nach Hause schrie der Kopf! Richtig
unangenehm war das. Nix sehen, nur Nässe fühlen und sich irgendwie
vorwärts quälen. Der Wald war zuende und es ging die gepflasterte
Straße Richtung Rennbahn entlang. Auch die war wie Kaugummi! Aber
das ist ja immer so, die letzten 2 Kilometer vermitteln einem das Gefühl
es wären 4 oder 5 Kilometer.
Irgendwann ist aber nun jeder Marathon mal zuende und so sah ich die bunten
Shirts der Zuschauer auf den Tribünen leuchten. Die letzen paar Meter
arteten in einen lustigen Hopserlauf aus, weil man aufpassen musste nicht
in die großen Schlamm-und Wasserlöcher zu fallen und darin
möglicherweise noch zu versacken! Eine 90Grad-Abbiegung zur Wiese
quatsch-quatsch-quatsch machten die Schuhe. Ab durch die aufgebauten Zeitnahmevorrichtungen
unter dem Zielbanner von Runnerspoint.
Geschafft! Vorbei! Eeeeeeeeeeeeeendlich! Gottseidank!
Ach ja die Uhr! 4:24:14 h sagte mein Uhr. Normal wäre ich enttäuscht
gewesen, da ich mir gewünscht hatte bei diesem Berglauf irgendwo
bei 4:10 zu landen. Unter diesen Bedingungen jedoch war ich heilfroh!
Es war ja wie in den Tropen! Mein Kopf, meine Beine haben wirklich gekämpft
und ich habe es geschafft!
Ich lies Siegerehrung Siegerehrung sein und wollte nur was Trockenes auf
die Rippen bekommen. Nach ein paar kurzen, aber netten Worten mit dem
Rennleiter flüchtete ich zum Auto.
Das war eins der wenigen Male wo man sich freut, dass das Auto über
4 Stunden in der prallen Sonne gestanden hatte! Es war knackeheiß!
Für meinen mittlerweile kalten Po eine Wohltat!
So kuschelte ich mich in trockenem Shirt in meinen warmen Sitz und düste
die 20km nach Hause.
Ein breites Grinsen auf dem Gesicht und ein freudig klopfendes Herz im
Gepäck.
Spät nachts schaute ich neugierig auf die Internetseite von hucke-timing
und wäre dabei fast vom Stuhl gefallen.
Bin ich doch tatsächlich 2. Frau geworden! -und habe nur 7 Läufer
insgesamt vor mir?!?!?!
Das zeigt mir, dass der Lauf wirklich allen schwer gefallen ist. Die Bestzeit
liegt bei 3:27 Und der zweite Läufer hat 4:00 Stunden geschafft.
So bin ich doch gar nicht schlecht?! Der Hammer! Gut wenn der Hammer in
so einer Form nach dem Lauf kommt und nicht mittendrin! Ja mein Kopf hat
gekämpft und meine Beine haben gekämpft und es hat sich doch
echt gelohnt.
Ein wirklich schöner Naturmarathon, dessen Strecke man aber nicht
unterschätzen sollte!
Marion Bürger |